Eine Familie sitzt auf dem Waldboden und leht an einem Baumstamm
  • Familie

Mit der Rucksackschule unterwegs in der Natur

Natur findet sich überall, sogar am Wegesrand in großen Städten. In der Rucksackschule entdecken und erleben Schulklassen und Kita-Gruppen mit Volker Westermann die Natur – ganz direkt und oft genau vor ihrer Haustür.

Volker Westermann betreut seit vielen Jahren die Rucksackschule des Forstamts Pfälzer Rheinauen. Bei uns im Interview verrät er, wie das Angebot entstanden ist und was sich genau dahinter verbirgt.

Wie entstand die Rucksackschule?

Unsere Revierförster bekamen immer mehr Anfragen von Schulen und Kindergärten für geführte Waldbesuche. Als wir die Anfragen nicht mehr bewältigen konnten, wurde die erste Stelle für Umweltbildung im ehemaligen Forstamt Speyer eingerichtet. Mit durchschlagendem Erfolg: Inzwischen gibt es diese Stellen und die Rucksackschule an allen rheinland-pfälzischen Forstämtern.

Wie sind Sie zur Rucksackschule gekommen?

Ich war schon als Kind viel in der Natur und hatte einen Lehrer, der mir sehr vieles zeigte und beibrachte. Nach dem Studium der Forstwirtschaft war ich 20 Jahre lang Revierförster, bis zur Auflösung des Reviers. Ich habe dann eine Stelle in der Umweltbildung angenommen, weil ich meine Liebe zur Natur und mein Wissen gerne weitergeben wollte.

Volker Westermann mit Jugendlichen im Wald
Volker Westermann bringt Kindern und Jugendlichen Wald und Natur näher.
Was macht die Rucksackschule so spannend?

Das Forstamt, für das ich arbeite, verantwortet eine Fläche, die von der französischen Grenze bis nach Worms reicht. Wir sprechen also von einem großen Ballungsgebiet mit mehr als einer halben Million Menschen, etwa 100 Schulen und 200 Kindertagesstätten. Für manche Kinder und Jugendliche, die an der Rucksackschule teilnehmen, ist es die erste Begegnung mit der Natur. Sie waren vorher nie im Wald. Andere sind sehr ängstlich, wenn es um Lebewesen geht, die kriechen, krabbeln oder fliegen. Darauf gehe ich ein, versuche, die Angst zu nehmen und das Schöne erlebbar zu machen.

Was macht Ihren Bezirk so besonders?

In unserem Bezirk gibt es neben Gemeindewäldern wie in Schifferstadt und Maxdorf auch Auenwälder, die eine einmalige Artenvielfalt haben und etwas sehr Besonderes sind. Hier sind daher andere Themen möglich als in anderen Wäldern.

Blick in den Auenwald
Die Auenwälder bieten mit ihren offenen Wasserflächen vielen Tieren und Pflanzen Lebensraum.
Wo findet die Rucksackschule statt?

Mit den Kindern und Jugendlichen sind wir am liebsten in der Nähe ihrer Schule oder Kita unterwegs. Natur lässt sich überall entdecken, dafür muss man nicht extra irgendwohin fahren. Mit einem Kindergarten aus Ludwigshafen haben wir zum Beispiel eine Brachfläche in der Nähe der BASF besucht. Am Wegesrand lässt sich immer etwas Spannendes finden, wenn wir uns die Zeit nehmen, genau hinzuschauen.

Und Sie nehmen sich diese Zeit?

Unbedingt, denn nur so können sich die Kinder und Jugendlichen auf die Atmosphäre des jeweiligen Ortes einlassen. Ich ermutige sie, alle Sinne einzusetzen, also nicht nur zu schauen, sondern auch zu riechen, zu tasten, zu fühlen, manchmal sogar zu schmecken. Dazu gibt es kleine Impulse. In meinem Rucksack habe ich zum Beispiel Becherlupen, um Blätter und kleine Lebewesen genauer betrachten zu können. Ich habe immer Tücher dabei, um etwas darauf zu legen. Ein Tuch ist wie eine kleine Bühne, die zum Hinschauen einlädt. Manchmal packe ich auch Präparate in meinen Rucksack oder Utensilien für kleine Versuche.

Wie kommen die Themen der Rucksackschule zustande?

Im Vorgespräch versuche ich herauszufinden, welche Erwartungen es in der Schule oder dem Kindergarten gibt und welches Thema passen könnte. Für jüngere Kinder sind oft bestimmte Tiere wie Igel oder Eichhörnchen interessant. Mit Grundschülern spreche ich über die verschiedenen Bäume im Wald, mit älteren Schülerinnen und Schülern über das Ökosystem Wald. Und ich vermittle Grundbotschaften über Nachhaltigkeit, Klimawandel und das Überleben der Natur.

Sind auch Themen jenseits der Biologie und Ökologie denkbar?

Da bin ich ganz offen. Sogar mathematische Themen sind möglich, zum Beispiel, wenn es um Symmetrien oder Flächen geht. Wer einmal einen Quadratmeter oder einen Hektar abgeschritten hat, weiß, was sich hinter diesen Flächeneinheiten verbirgt. Kinder, die gerade schreiben lernen, können ihren Namen aus kleinen Stöckchen legen. Egal, welches Thema wir vereinbaren: Im Mittelpunkt steht immer das Emotionale, die sinnliche Erfahrung, das Überraschende. Die Wissensvermittlung selbst geschieht somit beiläufig – das ist der Unterschied zur Schule.

Nach 15 Jahren Rucksackschule – wird es da nicht langweilig?

Nein, überhaupt nicht. Wenn man draußen in der Natur ist, passiert immer etwas. Jede Führung hat eine eigene Dynamik. Manchmal passiert etwas Unerwartetes, auf das ich eingehe und ins Thema integriere: Ein Hirschkäfer läuft über den Weg. Ein Nachtpfauenauge sitzt bei helllichtem Tag auf einem Blatt. Oder wir entdecken ein Rehkitz. Auch in den Gruppen passiert sehr viel: Kinder können in der Rucksackschule andere Kompetenzen zeigen und das verändert plötzlich ihre Rolle in der Gruppe. In den Gruppen entsteht dann immer ein Gemeinschaftsgefühl. Wir bekommen tatsächlich viel positive Rückmeldung von den Kindern und den Verantwortlichen. Was uns besonders freut, ist, dass viele sich selbst nach längerer Zeit an ihren Vormittag in der Rucksackschule erinnern. Ein schöneres Kompliment kann es doch nicht geben…

Auf Wald-Entdecker-Tour: von Ameisen, Dachsen und Spechten

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Poträt Volker Westermann
Volker Westermann

Volker Westermann ist studierter Forstingenieur und staatlich zertifizierter Waldpädagoge. Er war nach dem Studium zunächst 20 Jahre als Revierförster tätig und betreut inzwischen seit 15 Jahren die Rucksackschule des Forstamts Pfälzer Rheinauen in Bellheim.


Foto © Petra Brune

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